„Die letzten Wochen waren uns eindeutig eine Lehre“, Georg Hotar, CEO, Photon Energy Group

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Nach enttäuschenden Halbjahreszahlen ist die 6,50%-Photon Energy-Anleihe 2021/27 (ISIN: DE000A3KWKY4, WKN: A3KWKY) deutlich unter Druck geraten. Im Gespräch mit GREEN BONDS nimmt Georg Hotar zu allen kritischen Punkten Stellung. Er ist absolut motiviert, dass die Halbjahreszahlen 2023 in einigen Quartalen für die Investoren nicht mehr als eine zwar unangenehme, aber rasch schwindende Erinnerung sein werden.

GREEN BONDS: Im ersten Halbjahr waren Umsatz und Ergebnis rückläufig. Der Ausblick für das laufende Jahr musste reduziert werden. Was waren die Gründe hierfür?

Hotar: Beim Umsatz konnten wir zulegen, aber die Profitabilität wurde von mehreren Faktoren, die gleichzeitig zusammenwirkten, bedeutend negativ beeinflusst. Bei dem für das konsolidierte EBITDA wichtigen Stromproduktionssegment wirkten gegenüber Plan (sowie dem Vorjahr) niedrigere Verkaufspreise mit schlechtem Wetter zusammen. Der verspätete Netzanschluss unserer acht PV-Anlagen in Rumänien hat dazu geführt, dass weniger Kapazität als geplant am Netz war und somit unser Produktionsvolumen gleichblieb, aber unsere Einnahmen aus dem Stromverkauf um 28,7% fielen. Dieser Rückgang anstatt eines geplanten Einnahmenwachstums hat sich dann beinahe 1:1 auf allen Ebenen unserer G+V negativ ausgewirkt. Ein Schlüsselmerkmal des Stromproduktionssegments ist, dass wir bei der Projektentwicklung und beim Kraftwerksbau in eine große Vorleistung gehen, aber die Erträge, Gewinne und Cashflows erst im Geschäftsjahr nach Netzanschluss einer neuen Anlage voll anschreiben, während v.a. die Finanzierungskosten ab der Bauphase anfallen. Wenn es dann auch noch zu einer Verzögerung bei der Inbetriebnahme kommt, ist dieser Effekt noch unangenehmer.

Im Komponentenhandel war das 1. Halbjahr zwar bei Umsatz und EBITDA vergleichbar mit dem Vorjahr, aber im 2. Halbjahr werden wir dies wegen der Marktdynamik nicht halten können. In den anderen Segmenten, inklusive der nach der Akquisition von Lerta neuen Geschäftsbereichen, wird der positive Effekt erst 2024 offensichtlicher. Hier möchte ich auf alle Fälle die bereits kontrahierten Einnahmen für die Aggregation von Demand Side Response-Dienstleistungen für den staatlichen polnischen Netzbetreiber in Höhe von ca. 25 Mio. Euro im nächsten Jahr hervorheben.

GREEN BONDS: Bei den Projekten in Rumänien hat sich der Netzanschluss deutlich verzögert, so dass diese noch nicht zum Umsatz beigetragen haben. Wann werden mit den Projekten Umsätze erzielt und wie hoch dürften diese etwa sein?

Hotar: Mittlerweile sind alle acht PV-Anlagen in Rumänien am Netz und fünf weitere Anlagen mit einer Kapazität von 20 MWp im Bau, von denen einige noch bis Jahresende ans Netz angeschlossen werden. In Rumänien werden wir dieses Jahr ca. 2,5 Mio. Euro an Stromumsatz verbuchen, was deutlich hinter unserem ursprünglichen Plan zurückliegt.

GREEN BONDS: Können Sie in Ungarn und Tschechien wieder zur Einspeisevergütung wechseln und dann wieder höhere Preise erzielen?

Hotar: In Tschechien können wir jedes Jahr bis zum Ende November entscheiden, ob wir im Folgejahr die Einspeisevergütung oder den sogenannten „Grünen Bonus“ in Anspruch nehmen, wobei der Unterschied ungefähr dem Strommarktpreis entspricht. Die im Jahresvergleich geringere Einstrahlung hat sich seit Jahresbeginn stärker auf unser Ergebnis ausgewirkt als die niedrigeren Strompreise. Wir werden mit der Entscheidung für das nächste Jahr bis Ende November abwarten.

In Ungarn können wir mit ca. 85% unserer installierten Kapazität jederzeit in die Einspeisevergütung zurückwechseln, haben aber dann für die je nach Anlage verbleibende Vergütungszeit von ca. 15 bis 18 Jahren nicht mehr die Möglichkeit, zum Verkauf auf dem Markt zurückzukehren. Bei den derzeitigen Preisaussichten für das Jahr 2024 werden wir bis auf Weiteres beim Marktmodell bleiben.

GREEN BONDS: Das Ergebnis wurde auch durch die mehrheitliche Übernahme der Lerta SA belastet. In welchen Bereichen ist Lerta tätig und wie wird sich die Übernahme mittelfristig auf das Ergebnis auswirken?

Hotar: Lerta ist im Stromhandel und der Aggregation von kurz- und langfristigen Flexibilitätsleistungen für Stromnetzbetreiber tätig, für die sie eine sogenannte Virtual Power Plant (VPP) entwickelt hat. Der Stromhandel ist noch in den meisten Märkten in der Anfangsphase und wird erst 2024 deutlich zu Umsatz und EBITDA beitragen. Die Haupteinnahmequelle in diesem Jahr sind Erträge aus der Aggregation von Demand Side Response (DSR) für den polnischen Netzbetreiber PSE, die knapp 8 Mio. Euro erreichen wird. DSR bedeutet, dass wir bei einer Überlastung des Stromnetzes und auf Geheiß des Netzbetreibers die Reduktion des Stromverbrauchs durch unsere DSR-Kunden koordinieren und damit das Stromnetz entlasten. Für die Bereitstellung dieser Flexibilität erhalten wir vom Netzbetreiber eine fixe Pauschale, die in Auktionen festgelegt wird und die wir uns mit unseren DSR-Kunden teilen. Nach der erfolgreichen Auktion für das Jahr 2024, in der wir unsere kontrahierte Kapazität auf 389 MW beinahe verdreifachen konnten, werden wir im nächsten Jahr ca. 25 Millionen Euro an Einnahmen verbuchen können. Weiteres Wachstumspotenzial in Polen, aber auch weiteren Märkten innerhalb unserer derzeitigen Zielländer sowie in Westeuropa und Übersee, besteht. Auch in Australien planen wir 2024 mit einer Stromhandelslizenz im Stromhandel aber auch Flexibilitätsdienstleistungen durchzustarten.

Kurz gesagt, die durch die Akquisition von Lerta dazugewonnenen Geschäftsbereiche werden ab 2024 deutlich beitragen und haben bedeutende Wachstumsphantasie für die nächsten Jahre.

GREEN BONDS: Im Frühjahr ist der langjährige CFO Clemens Wohlmuth ausgeschieden. Auch sein Nachfolger war nur kurze Zeit für Photon Energy tätig. Was macht die Suche nach einen neuen CFO und wie sind Sie im Finanzbereich jetzt aufgestellt?

Hotar: Das Ausscheiden von Herrn Wohlmuth war bereits länger geplant und nach elf Jahren im Unternehmen nachvollziehbar. Der Abgang seines Nachfolgers Andrej Horansky ist einer unerwarteten Änderung seiner persönlichen Situation geschuldet, was aber der Optik natürlich nicht hilft. Ich habe mich daher entschlossen, auf interimistischer Basis auch die CFO-Rolle zu übernehmen. Ich hatte diese Rolle in den ersten drei Jahren bis 2011 inne und habe auch danach großes Augenmerk auf den Finanzbereich geworfen.

Seit April haben wir unser Finanzteam in vielen Bereichen mit erfahrenen Neuzugängen gestärkt, was im Kontext unseres dynamischen Wachstums auch notwendig war. Dies steht auch im Zusammenhang mit der bereits Ende 2022 eingeleiteten Einführung eines neuen ERP-Systems. Dieses wichtige Projekt wird demnächst in die Implementationsphase gehen und uns helfen, unsere Aktivitäten effizienter zu managen und uns weiteres Wachstum organisatorisch ermöglichen.

Mit der Akquisition von Lerta, der Investition in RayGen und unseren sehr vielversprechenden Aktivitäten im Wasserbereich (v.a. PFAS) haben wir in den vergangenen zwei Jahren wichtige strategische Weichen gestellt. Die Umsetzung unserer Strategie in Zusammenarbeit mit dem Mitgründer Michael Gartner als CTO, unserem COO Rick D’Ambrosca, aber auch den sehr talentierten Managern unserer einzelnen Geschäftsbereiche, hat zurzeit allergrößte Priorität. Es ist sehr wichtig hervorzuheben, dass Photon Energy lange nicht mehr nur aus Michael Gartner und mir besteht, sondern dass wir ein breit aufgestelltes, erfahrenes und motiviertes Team haben. In den nächsten Monaten möchte ich als Interim-CFO mehrere Prioritäten angehen und umsetzen. Wir haben die Suche nach einem neuen CFO noch nicht begonnen und wollen erst gegen Jahresende oder Anfang nächsten Jahres damit beginnen. Wir wollen auf alle Fälle für diese Schlüsselposition die richtige Wahl treffen und werden uns die dafür nötige Zeit nehmen.

GREEN BONDS: Die Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr war sehr enttäuschend. Sie haben im Juli für umgerechnet rund 530.000 Euro Aktien verkauft. Am 17.08. wurde dann das Halbjahresergebnis veröffentlicht. Das sollten Sie erklären.

Hotar: Ich habe im Juli ca. 209.000 Photon Energy-Aktien verkauft, was ziemlich genau einem Prozent meines Gesamtanteils entspricht. In den 15 Jahren seit der Gründung der Photon Energy habe ich knapp vier Prozent meiner Aktien veräußert. Das Timing dieses Verkaufs steht im Zusammenhang mit persönlichen finanziellen Verpflichtungen, von denen die Vermögenssteuer, die ich als Schweizer Steuerzahler jährlich zahlen darf, eine sehr bedeutende darstellt. Da die Photon Energy keine Dividenden ausschüttet, ist die mehr oder weniger periodische Veräußerung von Aktien die einzige Alternative, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Diese Transaktion spiegelt keineswegs meine Erwartungshaltung über die mittel- und langfristigen Aussichten des Unternehmens wider. Ich weine jeder einzelnen Photon Energy-Aktie, die ich je verkauft habe, nach.

GREEN BONDS: Sie haben den Ausblick für 2023 deutlich reduziert. Aber was ist mit Ihrem Langfristausblick, der war vorher schon sportlich. Da müssen Sie auch ran, oder? Können Sie uns eine Indikation wenigstens für 2024 geben?

Hotar: Wir haben die Aussicht für das Jahr 2023 so angepasst, dass wir in diesem schwierigen Umfeld die neue Latte mit großer Wahrscheinlichkeit erreichen oder überspringen können. Gleichzeitig haben wir auch versucht zu vermitteln, dass Umsatz und EBITDA nicht die einzigen Messlatten für die Wertentwicklung unseres Unternehmens darstellen. Wir haben kommuniziert, dass im Rahmen unserer Neuausrichtung auf Hybrid- und reine Stromspeicherprojekte eine Bereinigung, d.h. der Verkauf einiger unserer PV-Projektrechte ansteht und dadurch Kapitalgewinne wahrscheinlich sind. Gleichzeitig spiegelt der Bewertungsgewinn aus neu angeschlossenen PV-Anlagen die Wertschöpfung aus unserer Entwicklungs- und Investitionstätigkeit wieder. Unser Bestreben ist eindeutig auf die weitere Wertentwicklung ausgerichtet und wir wollen, dass wir per Jahresende besser dastehen als zum Halbjahr.

Die letzten Wochen waren uns eindeutig eine Lehre und wir werden die Konzeption, wie wir Prognosen erstellen und kommunizieren, überarbeiten – inklusive einer dynamischen Anpassung, wenn dies die Geschäftsentwicklung indiziert. Für eine Prognose für das Geschäftsjahr ist es daher zur Zeit zu früh, aber die höhere installierte Kapazität in unserem Anlagenportfolio, die Aussicht auf höhere Strompreise (laut Futures) und die Verdreifachung unserer bereits kontrahierten DSR-Einnahmen in Polen lassen unsere Erwartungshaltung erahnen.

GREEN BONDS: Wie wollen Sie das Vertrauen am Kapitalmarkt zurückgewinnen?

Hotar: Performance sowie, wie vorher erläutert, ein präziserer Umgang mit Prognosen. Wir sind absolut überzeugt, dass wir uns strategisch sehr gut positioniert haben. In einigen Bereichen können und müssen wir mehr herausholen. Gleichzeitig ist die Zeit gekommen, wo langfristige Investments wie RayGen und PFAS-Reinigung beginnen werden, Früchte zu tragen. Wir sind absolut motiviert, dass die Halbjahreszahlen 2023 in einigen Quartalen für unsere Investoren nicht mehr als eine zwar unangenehme, aber rasch schwindende Erinnerung sein werden.

Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.green-bonds.com
Foto: Georg Hotar © Photon Energy Group


 

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